Nachdem Fler mit seiner ganz eigenen Interpretation von Hip-Hop lange Zeit ein wenig abseits der Szene stand, hat sich ihm Deutschrap’s „State Of The Art“ inzwischen immer mehr angenähert.
Das Momentum ist klar auf Fler’s Seite und der Zeitpunkt für „Flizzy“ könnte somit nicht besser sein. Jetzt gilt es, den Vorsprung auszuschöpfen und weiter eigene Muster zu setzen. Hat’s geklappt? Wir haben in das neue Album reingehört. Hier kommen die Album Streams und unsere Review.
Inhaltsverzeichnis
Short Facts
- Albumlänge: 17 Tracks
- Single- und Videoauskopplungen: Tag Eins, Highlevel Ignoranz, AMG, Big Dreams, Late Check-Out, Pfirsich
- Features: Rick Ross, Farid Bang, Azad, Nimo, Shen (ehem. G-Hot), Prinz Pi, Remoe und Sinan G
- Produzenten: Simes, Iad Aslan und viele mehr
- Label: Maskulin
- Release Date: 23. März 2018
Review: Fler – „Flizzy“
In Sachen Berichterstattung zur neuen LP war wie immer ganz schön was los in den letzten Monaten. Man konnte sich quasi im Wochentakt über die neuesten Entwicklungen informieren: Mal wurde das Album Cover ausgetauscht, dann wurde das Release-Date verschoben. Erst hieß es, Lil’Pump sei als Featurgast mit dabei, dann sollte es einer von den Migos sein und am Ende wurde es Rick Ross („Big Dreams“). Auch die Sache mit Namika hing lange Zeit in der Schwebe und wurde letztendlich gecancelt. Zu guter Letzt gab es neben den drei Videoauskopplungen auch noch ein sehr ausführliches Live-Snippet auf Instagram.
Apple Music Stream: Fler – „Flizzy“
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Während die Feuilletonisten noch rätseln, ob das nun gewollte Promo war oder nicht, sind die Premium-Boxen und Bundles bereits restlos ausverkauft. Darüber hinaus wird das Album momentan gut eine Million Mal pro Tag gestreamt und in Berlin ein 18 Meter hohes Wandgemälde aufgezogen. Die Aussicht auf eine Top 5 Platzierung in den Album-Charts (und das ohne Wertung der Boxen) sieht vielversprechend aus. Dem 35-jährigen gelingt es mit frischen Produzenten – allen voran Simes und Stammproduzent Iad Aslan – seine Essenz für richtigen Rap zu destillieren und sich mit dem vorherrschenden Zeitgeist zu befrieden.
Spotify Stream: Fler – „Flizzy“
Konnte man früher das kopieren US-Amerikanischer Einflüsse nur schlecht mit der deutschen Lebensweise zusammenkriegen; klang es mehr nach Kopie als nach Inspiration; suchte man im clubtauglichem Sound nach einer tiefergehenden Textebene und fühlte sich der reduzierte Flow und die unzähligen Wort-Wiederholungen in den Hooks einfach nicht richtig an, hat Fler sechs Jahre nach „Hinter blauen Augen“ nun endlich alles auf die Kette bekommen.
“Flizzy” ist der Beweis, dass “Highlevel Ignoranz” weniger eine Frage des Kontostands ist, sondern mehr eine Frage, wie man Stimme, Flow und Beat zu einem authentischen Gesamtprodukt zusammenbringt (die Reime haben ja schon immer gestimmt). Wobei die stolze Summe von rund 160.000 EUR für das Album dem Ganzen natürlich keine Abbruch tun – ganz im Gegenteil. Die Autotune-Hook auf dem „Reality Check“-Chic („Flizzy“) passt nun endlich zum Rest; auf fast jedem Track gibt es mind. eine Catchphrase, die unpeinlich hängenbleibt; sein Lebenslauf – sich von von unten nach oben arbeiten – steht dem eines Rick Ross auf „Big Dreams“ in nichts nach und der R&B-Schmalz auf „Late Check Out“ und „Real Madrid“ driftet nicht mehr ins Cheesige ab.
Auch ältere Fler-Einflüsse erkennbar
„Du bekommst den Jungen aus dem Block, aber den Block nicht aus dem Jungen“: Trotz fehlender klatschender Drums, düsteren Samples und einem komplett anderen Mindstate, haben Songs wie „Keine Träne“, „Doughboy“ und „Subkultur“ irgendwie dann doch etwas von Frank White. Nur eben 2018 und nicht 2002.
So richtig wütend ist Fler nach zig Alben natürlich nicht mehr, aber die Basslines sind dafür umso aggressiver und ein paar Disses gegen alte Weggefährten konnte er sich auch auf „Flizzy“ nicht verkneifen. Es sei ihm “gegönnt”, denn nach über 20 Jahren ist nun endlich „Fler-Zeit“. Dies lässt auch seine Features sich aus ihrer Komfortzone bewegen. Allen voran der bereits bekannte starke Part von Farid Bang, der optimal-inszenierte Remoe und Prinz Pi, der mit seinem “markenzeichengeschützten arrogant-dummdreisten Gesichtsausdruck” und Zeilen wie “Ich rapp‘ besser als jeder, der nicht ich ist” für einen der stärksten Tracks sorgt.
Die weiteren Features tun keinem weh, geben dem Album aber auch keinen wahrnehmbaren Mehrwert mit. Mosenu braucht im Gegensatz zu ihnen nur Adlips (“Pfirsich”, “Doughboy”).
Aktuelle Single: „Pfirsich/Late Check-Out“
Wie Fler selbst sagt, ist der richtige Weg nicht immer der cleverste. Ich möchte hinzufügen: Womöglich auch der riskantere. Natürlich ist die geschmackliche Fallhöhe hier viel tiefer als bei anderen Releases, die Größe der Begeisterung aber wiederum mindestens genauso krass.
Durchschnittliche Songs gibt es auf „Flizzy“ kaum bzw. wird es mit so einem solchen Sound auch nie geben (s. einen Absatz weiter). Am ehesten würde ich hier wohl den Track “Keine Träne” mit Azad nennen, der für mich in so vielen Belangen ein Verfallen in alte Muster ist. Und das trotz Azad-Lines wie “Was für Pablo Picasso und Salvador Dalí? Nein, hier in der Gosse sein Lächeln behalten, das ist hier die Kunst”.
Nicht jeder der 17 Tracks ist ein Outstanding-Hit und ich habe für mich festgestellt, dass Trap und alles, was damit zusammenhängt, zu viele Ecken und Kanten besitzt, als das man den Track so einfach als „Album-Füller“ abhaken kann. Mit 10 Hits von 17 Versuchen kann man deswegen getrost von einem Hit-Album und einer guten Platte sprechen, wenn man von dem Gedanken abkommt, dass der aktuelle Zeitgeist kein stimmiges und in sich schlüssiges Album zulässt.
Fazit: Fler -„Flizzy“
2018 sollten nun endlich alle mal damit anfangen, Rap auf die Weise zu hören, wie er gemeint ist. Fler’s konsequentes und kompromissloses Album „Flizzy“ macht ab der ersten Sekunde klar wie es gemeint ist und du wirst direkt merken, ob du damit klarkommst oder eben nicht. Ignorieren geht noch, aber aus Prinzip haten ist nicht mehr drin. Vielleicht war „Vibe“ Fler’s Opus Magnum, aber „Flizzy“ ist definitiv sein stärkstes.
Cover + Tracklist
01. Flizzy
02. Timing
03. Tipp: Pfirsich
04. Big Dreams feat. Rick Ross
05. AMG feat. Farid Bang
06. Late Check Out
07. Keine Träne feat. Azad
08. Tipp: Doughboy
09. Interstellar feat. Nimo
10. High Level Ignoranz
11. Rolies & Lamos feat. Shen
12. Ice Cream feat. Jalil
13. Tipp: Subkultur feat. Prinz Pi
14. Real Madrid feat. Remoe
15. Wayyy feat. Sinan G
16. Stapel
17. Tag Eins feat. Remoe
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Beitragsbild: Katja Kuhl