
Foto: (c) Joel Ferreira
Wir haben uns mit Joel und Dirk vom Label Dedicate zum Videocall verabredet und über ihr kommendes Projekt „Nuthin‘ But A She Thang“ gesprochen.
Sie versammeln 14 Producerinnen aus acht Ländern und vier Kontinenten auf einem Beat-Sampler. Doch wie haben die beiden die Producerinnen gefunden, wer hat das Cover gemacht und was hat Stylefile mit der ganzen Sache zu tun? All das haben sie uns hier im Interview beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
Album Stream
Interview
Wie kam die Idee zu diesem Producerinnen-Sampler?
Joel: Ich finde, es ist das Ergebnis aus einer reflektierten Haltung im Jahre 2020. Eine andere Sichtweise auf eine Subkultur die uns maßgeblich geprägt hat – HipHop – vor allem im zeitaktuellen Geschehen. Ein Schlüsselmoment könnte dennoch benannt werden: Das Fotobuch (Prod. by) von Robert Winter (Interview) aus 2019. Beim Betrachten dieser fotografischen Dokumentation der deutschsprachigen Beat-Szene realisierten wir, da ist keine einzige weibliche Produzentin dabei. Wie das?
Dirk: Im elektronischen Bereich hingegen erscheinen uns Producerinnen etablierter und auch sichtbarer! In dem Genre ist es wirklich gang und gäbe. Früher war es auch sehr männerdominiert, aber das hat sich in den letzten Jahren gewandelt.
Joel: Wir sind mit Hip Hop groß geworden. Warum Frauen vor allem im Bereich der Beat-Szene auch nicht so sichtbar sind, das können und wollen wir nicht beantworten. Wir entdecken aber deren Musik. Wir finden die Produktionen gut und oftmals stehen Sie denen von männlichen Produzenten in nichts nach.
Deswegen entschieden wir uns mit dem nächsten Release auf Dedicate genau da jetzt den Fokus draufzulegen: weibliche Beat-Produzentinnen! Es erscheint uns irgendwie wichtig, dass es Rolemodels gibt, beziehungsweise Frauen, die sichtbar sind um andere Frauen zu motivieren.
Dirk: Unser primärer Akquisekanal war Instagram. Es war innerhalb der erweiterten Recherche-Phase interessant zu sehen, dass die Producerinnen untereinander vernetzt sind und sich teilweise kennen. Natürlich hatten wir auch Bedenken, wie das rüberkommt, wenn zwei Typen über Instagram Frauen anschreiben. Aber es hat geklappt – die Idee hat überzeugt.
Joel: Als wir die Idee zu dem Sampler hatten, sind wir natürlich auf die Suche gegangen nach einem vergleichbaren Projekt, haben aber nichts in die Richtung gefunden. Erst nachdem wir Kontakt mit Sadiva hatten und sie uns auch schon zusagte, haben wir ein weiteres Release entdeckt.
Sie selbst hatte vor ein paar Jahren die „World of Women-Compilation“ auf einem australischen Label zusammengestellt. Aber sie war auch der Meinung, man kann sowas nicht oft genug machen.

Herakut, Foto: (c) Jen Krause for Stylefile.de
Man könnte euch auch den Gedanken vorwerfen: “Feminismus verkauft sich gut und wir machen das jetzt”.
Joel: Als Liebhaber-Label, was wir ja sind, kann uns niemand einen wirtschaftlichen Primärgedanken vorwerfen.
Dirk: Wir gehen mit dem Gedanken daran, dass es ein Erfolg ist, wenn das Release finanziell gedeckt ist.
Joel: Wir halten uns in einem Instrumentalbereich der Musik auf und fokussieren uns als Label auch primär darauf. Das eröffnet uns natürlich viele Möglichkeiten, da es keine sprachliche Barrieren gibt – es geht nur um die Producing-Skills.
Unter wirtschaftlichen Aspekten hätten wir es uns sicher leichter gemacht, wenn wir uns mit diesem Release primär auf LoFi-Beats fokussiert hätten. In dem Bereich wäre es vermutlich “möglicher” in eine der größeren Playlisten reinkommen, aber das ist nicht unsere Intention.

Foto: (c) Jen Krause for Stylefile.de
Habt ihr den Producerinnen Vorgaben gemacht? Oder denen dann ein Thema vorgegeben?
Joel: Nein, es sollte alles im Hip-Hop-Kosmos stattfinden, aber sonst hatten sie freie Hand. Die Producerinnen, die etwas „später“ ihre Beats abgegeben haben, konnten in die bisherigen reinhören. Ob sie das am Ende beeinflusst hat oder nicht, können wir nicht sagen. Insgesamt haben wir uns darauf eingelassen, was kommt.
Dirk: Ich finde es auch viel spannender, wenn man den Künstlerinnen die freie Wahl lässt. Wir haben ihnen vom Projekt erzählt und sie sollten entscheiden, was sie dazu geben möchten. Wir haben uns auch lange Gedanken über die Reihenfolge gemacht.
Wir sehen das Produkt eigentlich auch eher als ein Album, das sich eben auch am Stück gut durchhören lassen soll. Wir haben uns verschiedene Vorschläge hin- und hergeschickt und nach ein paar Tagen hatten wir letztendlich das finale Ergebnis.

Gnarly, Foto: (c) Jen Krause for Stylefile.de
Joel: Die einzige Limitierung für uns: Es sollte am Ende auf eine Vinyl passen.
Dirk: Eigentlich waren auch 12 Tracks geplant, aber es sind dann 14 geworden, da wir dann doch mehr Zusagen hatten und wir auch niemandem absagen wollten.
Wie seid ihr überhaupt vorgegangen um die Producerinnen zu finden? Und wie habt ihr sie ausgewählt?
Dirk: Joel hatte schon Beat Producerinnen gesammelt und eine grobe Liste erstellt, die ich durch eine erweiterte Recherche nochmal ergänzt habe. Das meiste lief dann tatsächlich über Soundcloud und Instagram.
Joel: Der Recherche-Einstieg war tatsächlich über Instagram sogar einfacher. Man findet dann irgendwann auch Hashtags die hilfreich sind, um auf weitere Producerinnen zu stoßen. Dann haben wir uns deren Profile bei Soundcloud & Co angeschaut und reingehört. Hätten wir nur bei Soundcloud recherchiert, wäre oft nicht ersichtlich gewesen, ob es ein Mann oder eine Frau ist.
Dirk: Nach einer gewissen Zeit hatten wir eine Liste mit mehr als 50 Künstlerinnen zusammen. Die Liste haben wir dann abgearbeitet und geschaut welche Künstlerinnen für uns am besten passen würden und dann nach und nach angeschrieben.

Foto: (c) Jen Krause for Stylefile.de
Haben die Künstlerinnen euch auch nochmal weitere Producerinnen vorgestellt?
Dirk: Gnarly haben wir anfangs noch gefragt, ob sie uns noch Künstlerinnen empfehlen kann. Sie hatte uns dann ein paar Vorschläge geschickt und durch sie sind wir dann zu Courtney Hawkins vermittelt worden.
Joel: Es war nicht so, dass jemand meinte “Habt ihr sie oder sie auch schon gefragt?”, sondern die Producerinnen freuten sich, wenn sie jemanden, den sie kennen, auf unserer Auswahl gelesen haben.
Dirk: Es gab auch Künstlerinnen, die wir gerne drauf gehabt hätten, aber da hingen schon große Managements mit dran und es wurden Summen aufgerufen, die für uns leider nicht realisierbar waren. Zudem wäre es auch den anderen Künstlerinnen gegenüber nicht fair gewesen. Uns war wichtig, dass alle Beteiligten mit den gleichen Konditionen behandelt werden.
Joel: Auch Tokimonsta hatten wir angefragt, aber sie released beispielsweise nur über ihr eigenes Label. Somit hat das auch nicht geklappt. Es gab auch ein paar die nicht geantwortet haben, jedoch direkt abgesagt hat uns niemand.
Manche haben uns auch kommuniziert, dass sie erst später antworten oder liefern können, weil sie im ganzen Corona-Wahnsinn keinen Kopf dafür hatten. Drei der Producerinnen sind auch umgezogen in der Zeit. Aber man konnte mit allen sehr angenehm kommunizieren.
Das Cover hat HERA gemacht. Joel, fiel es dir schwer, dass du das Cover nicht selbst gestalten durftest? Und wie seid ihr dann auf HERA gekommen?
(Anm. d. R.: Joel ist Designer und unter anderem für das “Ich und mein Bruder”-Artwork von Mädness & Döll verantwortlich)
Joel: Wir hatten das Glück, das wir durch persönliche Kontakte mit der Idee des Samplers bei Stylefile ins Gespräch gekommen sind. Sie fanden es interessant und haben es für eine Aktion aufgegriffen. So entstand dann die Kollaboration. Ohne Stylefile wäre die Zusammenarbeit mit Hera vermutlich gar nicht zustanden gekommen.
Aber klar, mir ist es schwer gefallen, das Cover so aus der Hand zu geben. Doch das lief hier wirklich sehr dialogisch ab und wir haben über die Entwürfe und Anordnungen gemeinsam entschieden. Eigentlich war eine der Illustrationen für das Cover geplant, aber ich fand es am Ende sinnvoller den Titel „Nuthin‘ But A She Thang“ alleine nach vorne zu holen.
Das Hip-Hop-Zitat ist direkt sichtbar und auch die Spontaneität eines ‚Tags‘ passte für uns einfach sehr gut. Ich persönlich bin auch schon seit Jahren Fan von Heras‘ Arbeiten. Ihre Zusage ehrt uns, wertet das Projekt ungemein auf und hilft schlussendlich das Konzept ganzheitlich zu halten.
Dirk: Alle wichtigen Aspekte werden von weiblichen Protagonistinnen vertreten: Die Musik, das Cover, die Clips, die Fotos und alle Ansprechpartnerinnen vom Presswerk bis zu Stylefile. Wir zwei „Typen“ als Label bleiben im Hintergrund. Es ist nur schade, dass die Tracks nicht auch von einer Frau gemastert wurden, leider kenne ich keine Frau, die im Bereich Mastering tätig ist.

Foto: (c) Jen Krause for Stylefile.de
Von wem kam der Impuls zur Farbgebung? Ich persönlich war froh, dass es kein Klischee-Rosa wurde.
Dirk: Die finalen Farbvorgaben gingen vom dazu erscheinenden Hoodie aus.
Joel: Ganz am Anfang, als wir an Stylefile herangetreten sind, habe ich mit einem Royalblau gearbeitet. Es stand auch mal ein Hoodie in beige oder schwarz im Raum. Aber dieses grün fand ich spezieller und prägnanter. Rosa oder so hätten wir auch selbst schrecklich gefunden dafür.
Plant ihr auch schon einen weiteren Sampler mit neuen Producerinnen?
Joel: Wir warten jetzt erst einmal dieses Release ab. Es hat Spaß gemacht und ganz viel eröffnet. Aber aktuell ist noch nichts neues geplant in der Richtung. Wir möchten, dass dieser Sampler erstmal Gehör findet. Wir haben auch gemerkt wie anstrengend das sein kann, als es darum ging, welche Songs wir pitchen. Es war auch für uns seltsam zu sehen, wie unterschiedlich die Streaming-Zahlen bei den Künstlerinnen sind im Vergleich mit Followern.
Dirk: Es gibt Producerinnen, die haben 20.000 Follower bei Instagram und bei Spotify nur 1.000 Streams auf einen Song. Das ist immer wieder ein Phänomen.
Joel: Zu dem Projekt werden noch diverse Videos erscheinen. Im speziellen mit Hera und Gnarly, in denen sie über das Projekt sprechen und über ihre Ansichten erzählen.
Vielen Dank für eure Zeit!
Short Facts: Nuthin’ But A She Thang
- Release Date: 04. Dezember 2020
- Label: Dedicate
- Artists: Ainie (DE), Aygyul (AT), Courtney Hawkins (US), Da Chick (PT), Georgia Anne Muldrow (US), Gnarly (UK), Jillesque (US), Josi Miller (DE), Julie Schatz (US), Lisa Vazquez (US), Sadiva (AUS), Saltyyyy V (DE), SOWALL (KOR), USAGI (JP)
- Länge: 14 Tracks
Cover Art

Foto: (c) Joel Ferreira for Stylefile.de